Der Gallimarkt hat eine lange Geschichte.
Sie beginnt im Jahr 1508 mit der Verleihung des Marktrechtes an den Flecken Leer. Der Todestag des heiligen St. Gallus, der 16. Oktober, wurde als Markttag festgesetzt – und zwar, weil bis zu diesem Tag „Galli“ die Ernte eingebracht und das Vieh in den Stall gestellt sein musste, denn von Galli an musste man mit Schnee rechnen. So war das früher noch! Und weil das so war, hatten „auf Galli“ alle Landleute ihre Arbeit getan, und auch die Händler konnten in die Stadt gehen. Kaufen, handeln und verkaufen.
Zuerst war der Gallimarkt ein reiner Kram- und Viehmarkt. Man kann sich vorstellen, dass die Leute sich darauf freuten, am Ende eines arbeitsreichen Jahres die Früchte ihrer Mühen zu genießen! Als dann im 19. Jahrhundert auch noch jemand auf die Idee kam, ein Karussell auf dem Marktplatz aufzustellen, gab es kein Halten mehr – nach wenigen Jahren schon gaben die Schausteller mit ihren vielfältigen Angeboten den Ton an, und die Marktstände verschwanden.
Es scheint, als sei der Oktober genau die richtige Zeit, um es mal so richtig krachen zu lassen! Auch wenn längst nicht mehr alle Besucher*innen des großen Volksfestes eine nervenaufreibende Erntezeit hinter sich haben und auch das Vieh inzwischen das ganze Jahr über verkauft wird. Ab Mitte der zweiten Oktoberwoche gilt: Nichts geht mehr – es ist Gallimarkt. Da hat es keinen Zweck, Termine anzusetzen oder Einladungen auszusprechen. Gallimarkt ist ja nur einmal im Jahr!
Auch die Kinder freuen sich und sparen lange darauf, sich dort etwas leisten zu können. Als unsere Mädchen noch zur Schule gingen, konnte man an den bunten Zöpfen der Freundinnen immer sehen, dass sie schon dort gewesen waren. Und dann hörte ich jeden Tag: „Wann gehen wir endlich hin?“
Amüsiert habe ich gelesen, dass der Termin für den Markt im Lauf der Zeit immer wieder hin- und hergeschoben wurde. Der 16. Oktober fiel nämlich manchmal auf einen Sonntag. Und dann waren die Kirchen leer. Die Menschen setzten klare Prioritäten (Gallimarkt ist ja nur einmal im Jahr!), und das irritierte die Geistlichen doch etwas, so dass sie sich des öfteren beschwerten.
Nun hat der Einfluss der Kirchen inzwischen ja deutlich abgenommen, aber auch damals half offenbar kein Drohen und und kein Wettern von der Kanzel. So beginnt der Markt nun also am Mittwoch, immer in der 2. Oktoberwoche, und dauert bis Sonntag. Ob das dem Kirchgang hilft?
Die lebenskluge und liebevolle Heilige Teresa von Avila prägte den Satz: „Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“. Sie war der Auffassung, dass es nicht gegen Gottes Willen sei, Freude zu haben und das Leben zu feiern. Alles hat seine Zeit! Und so spricht nichts dagegen, die guten Zeiten aus Gottes Hand anzunehmen und es auch mal richtig krachen zu lassen. Gottesdienste gibt es schließlich jeden Sonntag. Und Gallimarkt ist ja nur einmal im Jahr!
Ulrike Sundermann, Pastorin in Backemoor-Breinermoor