In der letzten Zeit wird mir diese Frage öfters gestellt. Meistens im Zusammenhang mit den Nachrichten aus aller Welt, dem Krieg in Nahost, der Unterdrückung von Frauen, etwa in Afghanistan; aber auch, weil in unseren Straßen öfter als früher Menschen zu sehen sind, die aus muslimischen Ländern kommen. “Ich habe richtig Angst, wenn ich solche Leute auf der Straße sehe,“ vertraut mir jemand an. „Man hört ja so viel...“ Und jemand anders sagt: „Für die Muslime gibt es ja nur den einen Gott, nur Allah, etwas anderes lassen sie gar nicht gelten.“ Ich weiß nicht, wie viel von diesen Überzeugungen auf eigene Erfahrung zurückgeht, auf Begegnungen mit Muslimen, auf persönliche Gespräche; und wie viel einfach Vorurteile sind, genährt von Medienberichten über Terror-Anschläge, oder von dem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber dem Fremden. Ich gestehe: Ich weiß nicht so viel über den Islam wie über meine eigene Religion. Aber eines weiß ich doch: Dass es „nur den einen Gott“ gibt – damit haben die Muslime völlig recht. Die Juden sagen dasselbe, und auch wir Christen: Es gibt nur einen Gott. Wir haben unterschiedliche Namen für ihn: Gott, Allah, Adonaj (die Juden nennen ihn „Herr“, sie sprechen den Gottesnamen, die „Vier Buchstaben“ aus Ehrfurcht gar nicht aus). Und schon die Sache mit dem Namen zeigt: Wir sind verschieden. Unser Glaube ist unterschiedlich, unsere Geschichten, unsere Schriften, unser Glaubensbekenntnis. Aber Gott ist einer, ganz gleich, wie wir ihn nennen. Der Islam ist eine andere Religion als das Christentum oder das Judentum. Religion wird von Menschen gestaltet. Und doch gibt es nur den einen Gott, dessen Kinder wir alle sind.
Und bei aller Verschiedenheit haben wir doch eines gemeinsam: Wir sind alle Menschen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir uns im Grunde alle nach dem Gleichen sehnen: In Frieden zu leben und unsere Kinder gesund aufwachsen zu sehen. In jeder Religion steckt die Verheißung dazu. Und in jeder Religion gibt es Richtlinien, nach denen die Menschen ein solches Leben führen können: Die zehn Gebote, die Bergpredigt Jesu, die Goldene Regel: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut ihnen auch.“ Der Islam hat solche Richtlinien ebenfalls. Und nur weil sich nicht alle Menschen daran halten, ist ihre Religion nicht gleich verdächtig! Die meisten Menschen, Muslime wie Juden, wie Christen, leben friedlich und unauffällig, tun das Gute, so gut sie können, und wollen niemandem etwas Böses. Fanatiker gibt es in jeder Religion, auch unter Christen (man schaue nur mal in die USA), und nur weil etwas fremd ist, muss es ja nicht schlecht sein.
Gegen das Fremde gibt es nur ein probates Mittel: Man muss es besser kennenlernen. Dann ist es nicht mehr fremd. Die Menschen, muslimisch oder jüdisch oder buddhistisch oder was auch immer: Wir müssen sie besser kennenlernen. Sprechen wir mit ihnen! Das ist der einzige Weg, um solche Fragen zu beantworten – wie ist das mit dem Islam? Mit dem Judentum? Wie lebt ihr, wie geht es euch, wovon träumt ihr, wovor habt ihr Angst? Fragen Sie also nicht mich, fragen Sie muslimische Menschen, es gibt ja neuerdings einige bei uns. Wenn Sie freundlich fragen, bekommen Sie bestimmt gern Antwort, am liebsten bei einer Tasse Tee. Übrigens: Bei Muslimen wird die Gastfreundschaft ganz groß geschrieben! Lassen wir uns einfach mal auf diese Menschen ein. Dann brauchen wir keine Angst mehr vor ihnen zu haben - und was genau so wichtig ist: Sie auch nicht vor uns.
Ulrike Sundermann, Backemoor-Breinermoor