Liebe/r Leser/in des GA,
aus dem Urlaub in Frankreich zurück, blättere ich mein Reisetagebuch durch und überlege, was am allerschönsten in den vergangenen Wochen war. Das ist gar nicht so leicht zu beantworten – jeder Tag war besonders: das Meer immer anders, wenn die Ebbe die Felsen vor unserem Campingplatz in Nordfrankreich, an der bretonischen Küste, freilegte; die Radtouren zu den Kalvarienbergen, die das Leben Christi in Stein gemeißelt zeigten; die leckeren Meeresfrüchte abends auf dem Teller; die freundlichen Begegnungen mit Urlaubern aus F, NL, GEB und D; die Besuche in jahrhundertealten Kirchen voller bunter Glasfenster … Schwer zu sagen, was am allerschönsten war. Zu den Highlights meines Urlaubs gehört aber sicher der Besuch der Kathedrale in Chartres, südöstlich von Paris gelegen, und hier das Labyrinth. Deswegen sind wir hingefahren, wegen des Labyrinths, knapp 13 Meter im Durchmesser und etwa 260 Meter lang, geht man den Windungen entlang. Es fasziniert mich, immer schon. Hier, in Chartres, ist es mitten in der Kathedrale im Fußboden eingelassen. Es wird auch als „Weg nach Jerusalem“ bezeichnet, weil man lange glaubte, dass das Abgehen des Labyrinths einer Pilgerfahrt ins Heilige Land gleichkäme. Hier gibt es wohl in der Interpretation viel Spielraum. Möglicherweise ist nicht die Stadt Jerusalem gemeint, sondern das Paradies, das himmlische Jerusalem der Bibel. Vielleicht ist das Labyrinth der Kirchen eine Übernahme des antiken Labyrinths als Symbol heidnischer Religion, das für Griechen und Römer den Ablauf des menschlichen Lebens darstellte, dessen Ende das Totenreich war. Diese Idee funktionierte später das Christentum dann in die Verheißung des Paradieses um. Fein jedenfalls: hier gibt es keine Sackgassen – wie beim Irrgarten. Der Weg ist einfach, obwohl verschlungen. Christen und Nichtchristen haben beide ein Ziel im Auge, das Ausdauer erfordert und nur anstrengend und mühsam zu erreichen ist. Bequem geht´s nicht. Viele Deutungen sind, wie gesagt, möglich und nicht immer fanden es alle im Laufe der Jahrhunderte toll. Das Reimser Kapitel z.B. entschied wegen der „Belästigung“ durch die auf den Windungen des Labyrinths herumlaufenden Kinder und „Müßiggänger“ für dessen Zerstörung 1000 Pfund als Bezahlung bereitzustellen! Das Wichtigste, denke ich, ist das Zentrum, in das alle Linien münden, das Zentrum der Welt, das Herz, der Sitz des Menschen, in dem Gott wohnt. Das Abgehen des Labyrinths macht Spaß. Aber nicht nur das: Es kann auch eine Wallfahrt zu sich selber und zu Gott sein.
„Auf dich hoffen, die deinen Namen kennen; denn du verlässt nicht, die dich, Gott, suchen.“ Das ist die Losung für heute, Samstag, den 03. Aug 2024. Passt!
Vielleicht kommen Sie mal hin, nach Chartres!? Freitags ist die Bestuhlung entfernt und das Labyrinth frei zugänglich vom Anfang bis zum Zentrum.
Ihre
Utta Dittmar, Pn. Flachsmeer