Am vergangenen Sonntag haben wir Erntedankfest gefeiert. Erntezeit. Man zählt, überschaut den Erfolg des Jahres und den Lohn für die viele Mühe. Man fährt ein, versucht etwas von dem aufzubewahren, was eben noch üppig blühte. Erntezeit ist Zeit des Rückblicks auf das, was gewesen ist und Vorschau in Zeiten, die karger werden.
So ist es kein Wunder, dass die Ernte als Thema und Bild nicht nur im tatsächlichen Sinne gemeint ist, sondern auch im Blick auf das Leben. Ein Rückblick auf das, was ich habe, was mir geschenkt wird, anvertraut - in Fülle. Und ein Vorausschauen auf Zeiten, in denen ich vielleicht auch von meinen inneren Vorräten werde leben und zehren müssen. Aus der Sicht des christlichen Glaubens gehören deshalb zur Erntezeit die Dankbarkeit und die Zuversicht. Dankbarkeit - das ist das Bewusstsein, dass vieles in meinem Leben Geschenk ist und dass ich die Grundlagen meines Lebens mir nicht selber schaffe. Und Zuversicht bedeutet, dass ich ganz ruhig nach vorne in die Zukunft schauen kann, weil ich weiß, dass das, was ich bin und was ich habe, allemal ausreicht - auch für karge Zeiten. Momentan schauen ja viele Menschen eher pessimistisch in die Zukunft.Vieles verdunkelt den Horizont: der Krieg in der Ukraine und im Nahen Ostern, das Erstarken von extremen Positionen in der Politik, die Klimakrise, die Globalisierung und die nachlassende Wirtschaftskraft in unserem Land. Wie schnell sich das geändert hat. Wir hatten uns so an die guten Zeiten gewöhnt. Fanden es ganz selbstverständlich, dass wir alles haben können und das unser gesellschaftliches System funktioniert. Und nun gibt es wieder Mangel in einigen Bereichen, Wartezeiten, Ängste um Arbeitsplätze und vor wirtschaftlichem Abstieg.
Die Älteren werden sich an Zeiten erinnern, in der das schon mal so war. Als es tatsächlich Mangel gab - an Vielem! Alle, die davon erzählen, sagen aber gleichzeitig auch: wir waren eigentlich viel zufriedener in dieser Zeit, auch wenn es nicht viel gab. Offensichtlich hängt unsere „Stimmung“, unser Lebensgefühl, gar nicht so sehr am wirtschaftlichen Wohlergehen. Sondern an ganz elementaren Dingen: der Solidarität untereinander, dem Gemeinschaftsgefühl und der Fähigkeit, sich über kleine Dinge zu freuen.
Das wäre doch mal ein guter Erntedank: sich klar zu machen: wie kostbar dieMenschen sind, die zu mir gehören. Und sich erinnern zu lassen: vieles in meinem Leben ist Geschenk. Und es reicht - auch für karge Zeiten.
Pastor Martin Sundermann, Langholt