kkl Leer. Echten Genuss gibt es nicht mal eben so nebenbei. Zu diesem Schluss können Beobachter kommen, wenn sie Joachim Gehrold zuhören und -sehen. Da macht es im Grundsatz keinen Unterschied, ob er einen perfekten Cappuccino zubereitet oder für berührende Klangerlebnisse sorgt. Als Kirchenmusikdirektor des Evangelisch-lutherischen Sprengels Ostfriesland-Ems geht er Ende Februar in den Ruhestand.
An erster Stelle seiner Dienstbezeichnung steht eigentlich „Kantor und Organist der Lutherkirchengemeinde Leer“, denn damit sind 60 Prozent des Arbeitsumfangs umschrieben. Den kleineren Anteil bilden die Aufgaben als Kirchenmusikdirektor des Fachaufsichtsbezirks Ostfriesland. Trennen und genau aufrechnen lasse sich das alles nicht, erklärt er im Gespräch.
Als der 65-Jährige vor 18 Jahren in sein Amt eingeführt wurde, war ihm schon klar, dass er keine geregelte 40-Stunden-Woche haben würde. „Ich habe einen so schönen Beruf – da guckt man nicht auf die Uhr“, sagte er damals. Mit seiner Leidenschaft für die Musik hat er Akzente gesetzt. Das wird auf mehreren Seiten im aktuellen Gemeindebrief der Lutherkirche gewürdigt – von Regionalbischof Dr. Detlef Klahr und Superintendentin Christa Olearius ebenso wie von Verantwortlichen der Gemeinde und Chormitgliedern.
Bei aller Begeisterung hat Joachim Gehrold feststellen müssen, dass er zeitlich gesehen so manche Abstriche im musikalischen Bereich machen musste, denn auch im Büro wartete viel Arbeit auf ihn. Als Kirchenmusikdirektor hat er im kirchenmusikalischen Bereich die Dienstaufsicht über die Kirchenkreise sowie Kirchen- und Kapellengemeinden des Sprengels und muss Berichte an die Landeskirche geben. Zuständig ist er auch für die kirchenmusikalische Aus- und Fortbildung. Im Rahmen von Visitationen galt es, sich ein Bild von der Arbeit vor Ort machen. „Das habe ich eher im Sinne von Begleitung als von Kontrolle gesehen“, erklärt er. Er plädiere für neue Wege in diesem Aufgabenbereich und hoffe, dass bestehende Konzeptideen umgesetzt würden.
In der Lutherkirchengemeinde hat Gehrold zeitweise sechs Chöre und ein Vokalquartett geleitet. „Das allein hätte eigentlich schon eine volle Stelle ausgemacht“, sagt er. Für die Familie blieb da wenig Zeit. Im Ruhestand will der Vater von drei Kindern einiges nachholen. Besonders freut er sich, dann auch Zeit für die bald zweijährige Enkelin Amelie in der Nähe von Wiesbaden zu haben. Wohnen wird er weiterhin in Leer.
Die Musik wird natürlich auch künftig eine große Rolle für Gehrold spielen. Das Miteinander- und das Selber-Singen bleiben ihm wichtig. „Ich liebe die Chorarbeit sehr. Besonders reizt mich die A-cappella-Musik mit ihren vielen Klangfarben“, sagt er über seine bisherige Arbeit. Große Anerkennung hat er sich als Leiter des Heinrich-Schütz-Chors Ostfriesland in der Region erworben.
Wie ist das mit Spaß und Anspruch auf ein bestimmtes Niveau beim Singen, fragen wir. Er habe die Mitglieder im Schütz-Chor einmal untereinander darüber diskutieren lassen und das klare Bekenntnis bekommen: „Wir wollen gefordert werden“, erzählt der Kirchenmusiker. Ein Chor sei etwas Lebendiges. Die Beziehung spiegele sich beim Singen wider. Das habe zum Beispiel im Schütz-Chor gut geklappt und sich in Freude und Leistungsbereitschaft gezeigt. Das Gesungene solle bei den Zuhörern etwas anrühren, keine leere Sprache sein: „Sonst ist es wie eine schlecht gehaltene Rede“, sagt Gehrold.
Die Corona-Pandemie hat für manche unfreiwillige Auszeit gesorgt, aber auch etwas Positives bewirkt: Neben Proben in kleinen Gruppen ergab sich für den Kantor viel Einzelunterricht. Das sei eine tolle Erfahrung für die Sängerinnen und Sänger, aber auch für ihn selbst gewesen.