Worte im Gespräch – 15.02.2025

Seit einigen Wochen lese ich euch mehrmals am Tag: „Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt.“ Auch andere lesen euch. Weil sie gehen, warten oder fahren. Wie ich. Kommt da jemand? Oder kann ich weiter? Achtsamkeit ist gefordert. Um niemanden zu verletzen. Denn: Schnell kann was kommen an so´ner Kreuzung. Ob es mir (zeitlich) passt oder nicht: Ich sollte hinsehen.

„Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt.“ Immer öfter lese ich euch auch woanders. Höre, dass auch andere euch lesen: Vor Kirchen und Gemeindehäusern. An Straßen, wo man jeden Tag vorbeikommt. Auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, zu Besuchen, zum Arzt. Achtsamkeit ist gefordert, auch, wenn der Weg vertraut scheint. 

In Gesprächen bekomme ich mit, dass Diskussionen entstehen. Ihr macht was mit uns. Auch, dass ihr so präsent seid. Meinen alle das Gleiche? Geht ihr jemandem (zu) nahe? „Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt“: Drei Worte. So kurz und doch so viel. Weil viel in euch steckt: Selbstverständliches und Liebgewonnenes, Aufwühlendes und Verletzliches. Gemeinsames und Persönliches, Bewahrenswertes und Wertvolles.

Neulich habe ich jemanden besucht: Bin Wege gegangen, die ich schon manches Mal dorthin gegangen bin. Nein, die Wege haben sich nicht verändert. Aber die Situation. So wie sonst auch ziehen wir die Jacken am Eingang aus. Gehen weiter. In Gedanken, wie es sein wird. Das Geländer lädt ein, sich festzuhalten. Sicherheit. Halt. Immer weiter dorthin, wo wir uns treffen. An der Tür werden wir begrüßt. Lächelnd. Vertraut. Wir schließen uns fest in die Arme. „Es ist schön, dass du da bist!“ In jedem Blick, in jedem Moment, in jedem Wort. Eine schwere Erkrankung macht früher Selbstverständliches jetzt unvorstellbar besonders. 

„Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt“: Seit einigen Wochen lese ich euch mehrmals am Tag. Ich darf mich angesprochen fühlen, euch mit der eigenen Stimme zu füllen. Ich schätze mich dankbar, dies zu dürfen und zu können. Nicht nur, weil ihr wertvoll seid, sondern auch, um über euch ins Gespräch zu kommen. Da, wo mir alles vertraut ist, aber auch da, wo Worte mir nicht gefallen. Weil es erforderlich ist, im zu Gespräch bleiben. 

Mein Wunsch: (Be)Achten wir euch. In unseren Beziehungen, Begegnungen und Gesprächen. Nicht nur jetzt, sondern über diese Wochen hinaus. Ob es (zeitlich) passt oder nicht. Gerade auch für die, die ihre Worte nicht (mehr) herausbringen.

Mirjam Valerius

Pastorin der Kirchengemeinde Steenfelde